Wer waren die Freier in den KZ-Bordellen?

Teil 7 der Artikelserie über KZ-Bordelle & das Dritte Reich als „größten Bordellbetreiber Europas“

(Dieser Text ist im Dezember 2024 in der Graswurzelrevolution erschienen.)

Der NS-Staat hat für SS, Wehrmacht und Polizei, aber auch für Fremd- und Zwangsarbeiter und für KZ-Häftlinge Bordelle eingerichtet. Letztere gab es in den Konzentrationslagern Mauthausen und Gusen, Flossenbürg, Buchenwald, Auschwitz, Dachau, Neuengamme, Sachenhausen und Mittelbau-Dora. Sie waren von der SS eingerichtet worden, um Häftlinge, die „besondere Arbeitsleistungen“ erbrachten, zu belohnen, aber sie standen auch anderen Häftlingsfreiern offen. Wer waren die Männer, die, im KZ gefangen und misshandelt, dennoch die Chance nutzten, ihre weiblichen Mitgefangenen im Konzentrationslager sexuell auszubeuten – und wie blickten sie auf diese Frauen?

Festgehalten werden muss, dass nur wenige Prozent der männlichen Häftlinge überhaupt die Gelegenheit bekamen, die KZ-Bordelle zu nutzen. Viele von ihnen gehörten zur „Lageraristokratie“, waren also höhergestellte Häftlinge, z.B. Lager- oder Blockälteste. Diese hatten generell verbesserte Lebensbedingungen und mehr Ressourcen zur Verfügung. Manche von ihnen missbrauchten männliche Jugendliche, sie hielten sich sogenannte „Pipel“, die sich von der Duldung des Missbrauchs Schutz und bessere Überlebenschancen versprachen. Seine Sexualität ausleben zu können, zeigte also, dass man sich in einer höheren Machtstellung befand. Männer, die nicht zur „Lageraristokratie“ gehörten, führten hingegen als Motiv, das Bordell zu besuchen, die große Todesnähe an sowie den Wunsch, noch oder überhaupt einmal mit einer Frau zu schlafen oder zu sprechen. Selten kam es zu Fällen, in denen der Bordellbesuch einzelnen Häftlingen befohlen wurde. Es war aber möglich, sich im Hinblick der sexuellen Ausbeutung eben nicht zum Komplizen der SS zu machen und auf den Verrichtungszimmern einfach nur mit den Frauen zu sprechen – manche Häftlinge werden zu einer Erektion auf Grund des Hungers, des Terrors und der schweren Arbeit ohnehin nicht in der Lage gewesen sein. Die meisten Häftlingsfreier gingen aber freiwillig ins Bordell – und stellten auf Kosten der Frauen ihre von der SS durch Gefangennahme und Demütigungen „beschädigte Maskulinität“ vermeintlich wieder her. Spätestens damit übernahmen sie die Sichtweise der SS auf die Geschlechter – wenn sie sie nicht schon zuvor gehabt hatten: nämlich dass männliche Sexualität dominant und ausbeuterisch, die weibliche passiv und fremdbestimmt ist.

Wie blickten die Häftlingsfreier aber auf die betroffenen Frauen, wie dachten und sprachen sie über sie?

Noch während ihrer Zeit in den KZ beschrieben weibliche und männliche Häftlinge die gefangenen und zwangsprostituierten Frauen. Meistens thematisierten sie den „guten Zustand“ der Frauen, die besser gekleidet und genährt waren als andere Häftlinge, sich die Haare wachsen lassen und sich schminken durften usw. Dies geschah auf Befehl der SS, denn die Frauen sollten ansprechend sein, um mehr Häftlingsfreier in die Bordelle zu locken und somit die Spaltung der Häftlingsgesellschaft und die Korrumpierbarkeit voranzutreiben, stellte aber für andere Häftlinge einen starken Kontrast zu ihrer von Terror und Tod geprägten Umgebung dar.

Die ersten Erwähnungen der KZ-Bordelle nach dem Krieg erfolgten in allgemeinen Beschreibungen des KZ-Systems. Die meisten dieser Erwähnungen betonten die Unschuld der betroffenen Frauen und dass sie in die Bordelle gezwungen worden waren, aber es gab auch Berichte wie die von Eugen Kogon, der die Frauen sogar mit Klarnamen benannte und meinte, sie hätten sich sehr willig in ihr Schicksal gefügt. Auch erste Berichte von Frauen aus den KZ erschienen kurz nach dem Krieg. In diesen wurde auch über die erlittene sexualisierte Gewalt berichtet. Nach dieser recht kurzen Phase setzte jedoch eine Tabuisierung des Themas ein, die Frauen wurden stigmatisiert, beschuldigt und letztlich verschwiegen – bis in die 1990er Jahre hinein. So beschrieben vor allem männliche Häftlinge die zwangsprostituierten Frauen oft nur noch als Huren, nicht mehr als Häftlinge, und suggerierten, sie hätten in Luxus, Schmuck, Seidenkleidern und Alkohol geschwelgt und ein sehr gutes Leben gehabt. Der Gewaltkontext wurde komplett ausgeblendet, es überwogen die moralischen Verurteilungen der Frauen, aber auch Fachsimpeleien über ihre Attraktivität. Noch 1995 äußerten zwei ehemalige Buchenwaldhäftlinge in einem Dokumentarfilm, die Frauen hätten ein gutes Leben gehabt, und sie hätten damals gerne mit ihnen getauscht – und bedauern, das Bordell sei leider nicht für Häftlinge wie sie gewesen.[1]

Männer, die während ihrer Gefangenschaft im Konzentrationslager die Bordelle aufsuchten, sahen sich nicht als Täter. Sie bekannten sich gemeinhin offen dazu, diesen Machtraum genutzt zu haben und sahen keinen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben. So äußerte ein weiterer Buchenwaldhäftling, er sei schließlich zumindest „kein Kapo gewesen (…) [und] habe niemanden ermordet.“[2]

Es gab allerdings auch andere männliche Häftlinge, die die Bordelle nicht aufsuchten, und die nicht abwertend über die Frauen sprachen – sie betonten, die Frauen seien auch Gefangene gewesen, ihnen stünde doch für ihre Zwangsprostitution Entschädigung zu, und sie hätten nur ihre Überlebenschance genutzt, außerdem habe man sich Befehlen nicht verweigern können. Diese Stimmen stellten aber nicht die Mehrheit dar.

In einigen Konzentrationslagern hat es Widerstand gegen die Bordelle gegeben, der sich darin äußerte, dass bestimmte Häftlingsgruppen das Bordell nicht aufsuchten. In den als „rote Lager“ bekannten KZ Dachau und Buchenwald waren es vielfach kommunistische, sozialistische, auch sozialdemokratische Häftlinge, die sich gegen den Bordellbesuch aussprachen. Auch hier waren die Gründe aber vielfältig. Einige hatten kein sexuelles Verlangen mehr, andere waren schon 10 Jahre in Haft und nicht mehr sexuell vollzugsfähig. Wieder andere meldeten Bedenken bei der Freiwilligkeit der betroffenen Frauen an. Vor allem Kommunisten boykottierten das Bordell. Als Gründe führten sie allerdings weniger die Solidarität mit den gefangenen zwangsprostituierten Frauen an, sondern nannten diese „minderwertig“ und „asozial“ und führten aus, sich von der SS mit einem Bordellbesuch nicht korrumpieren und bespitzeln lassen zu wollen.

Ein anonymer Autor bezeichnete die Frauen als „Freudenhaussäue“ und warnte, die SS verführe die Männer zur Mittäterschaft und dazu, das von den Frauen und Müttern der männlichen Gefangenen ins KZ geschickte Geld ins Bordell zu schaffen. Man sei zu gut, um mit Huren das Brot zu teilen, schrieb er in einem anderen Text.[3] Vor allem rote Kapos aus Buchenwald, z.B. Ernst Busse, mussten sich nach dem Krieg vor der SED und ihren Genossen für die Bordellbesuche rechtfertigen – aber nicht, weil sie die Frauen sexuell missbraucht hatten, sondern ihnen wurde vorgeworfen, dabei mit der SS kollaboriert zu haben, die über die Bespitzelung während der Bordellbesuche die Strukturen des Widerstands habe aufdecken wollen.

Nicht alle „roten“ Häftlinge lehnten also den Bordellbesuch ab, und die, die es taten, handelten oft nicht aus Solidarität mit den Frauen, sondern verachteten diese. Dennoch gab es einige Kommunisten, die sehr wohl moralische Gründe anführten und die die die Würde der Frauen verletzt sahen. So berichtet ein ehemaliger kommunistischer KZ-Häftling: „Und das Wichtigste aber, warum die Genossen der KPD und der SPD eine solche Position hatten und uns Jüngeren vermittelt haben, war ihr Standpunkt, dass die Frauen keine Ware sind, das war ihr politischer Standpunkt, sind keine Ware.“[4]

Bis heute ist das Thema der zwangsprostituierten Frauen in den Konzentrationslagern also ein Tabu. Über den Umgang mit den betroffenen Frauen nach ihrer Haftzeit soll es im letzten Teil der Artikelserie über die Bordelle in den deutschen Konzentrationslagern gehen.

(c) Anne S. Respondek


[1] Niemeyer, Maren / Tann, Caroline von der, Das große Schweigen. Bordelle in Konzentrationslagern, Dokumentationsfilm, Erstausstrahlung in einer ARD-Sendung vom 09. 11. 1995 

[2] So Romek Dubitzki (der Name ist ein Pseudonym von Sommer), Interview Romek Dubitzki, Sommer 2004-04-06, 00.04.00, hier zitiert nach Sommer, Robert, Warum das Schweigen? Berichte von ehemaligen Häftlingen über Sex- Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern, in: Eschebach, Insa / Mühlhäuser, Regina (Hg.), Krieg und Geschlecht. Sexuelle Gewalt im Krieg und Sex-Zwangsarbeit in NS- Konzentrationslagern, Berlin 2008, S. 163 

[3] Sommer, Robert, Das KZ-Bordell. Sexuelle Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern, Paderborn 2009, S. 266

[4] So Fred Löwenberg in: Interview Sommer 2005-04-06 Löwenberg, 00.08:00, hier zitiert nach Sommer, Robert, Maskulinität und sexuelle Ausbeutung: Bordellgänger in Konzentrationslagern, in: Frietsch, Elke / Herkommer, Christina (Hg.), Nationalsozialismus und Geschlecht. Zur Politisierung und Ästhetisierung von Körper, „Rasse“ und Sexualität im „Dritten Reich“ und nach 1945, Bielefeld 2009, S. 159