Teil 6 der Artikelserie über KZ-Bordelle & das Dritte Reich als „größten Bordellbetreiber Europas“
(Dieser Text ist im Oktober 2024 in der Graswurzelrevolution erschienen.)
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Um männliche KZ-Häftlinge zu höherer Arbeitsleistung zu motivieren, richteten die Nationalsozialisten in den KZ Mauthausen und Gusen, Flossenbürg, Buchenwald, Auschwitz, Dachau, Neuengamme, Sachenhausen und Mittelbau-Dora sogenannte „Sonderbauten“ ein – Bordelle, in denen die männlichen KZ-Häftlinge ihre von den Nationalsozialisten zwangsprostituierten weiblichen Mithäftlinge sexuell missbrauchen konnten. Darum, wie der Bordellbesuch aussah, wie die zwangsprostituierten Frauen diese Gewalt psychisch bewältigten und wie es ihnen ging, soll es in diesem Text gehen.
Nicht jedem Häftling war der Bordellbesuch erlaubt – Russen und Juden waren von dieser Vergünstigung ausgeschlossen. Außerdem musste der Häftling eine Arbeitsleistung erbracht haben, die der SS belohnenswert erschien – oder Funktionshäftling (meist aus der Häftlingsgruppe der „Asozialen“ oder „Kriminellen“, aber durchaus auch „Politische“) sein. Häftlinge, die körperlich nicht mehr in der Lage waren, den Geschlechtsverkehr auszuführen, kamen für den Bordellbesuch nicht in Frage. Manche Häftlinge (z.B. einige Kommunisten) verzichteten aus ihrer politischen Haltung heraus auf den Bordellbesuch. 10 bis 20 Minuten Zeit hatten die Häftlinge, mit der ihnen zugewiesenen Frau im Bordell den Geschlechtsverkehr auszuführen. Dabei wurden sie durch ein Guggloch in der Tür von einem SS-Mann beobachtet, um sicherzustellen, dass kein kontrollfreier Raum entstanden war. Während des Verkehrs kam es, so erinnern sich Zwangsprostituierte aus den KZ-Bordellen, auch zu hämischen Bemerkungen durch die sie beobachtende SS und zu „schmutzigen Bemerkungen“. Nach dem Geschlechtsverkehr hatten die Frauen Scheidenspülungen durchzuführen, um Geschlechtskrankheiten zu verhindern, denn Kondome wurden ihnen nicht ausgeteilt. Auf Geschlechtskrankheiten wurden die Frauen allerdings regelmäßig untersucht. Kranke Frauen wurden entweder behandelt oder kamen als Häftlinge zurück ins KZ, manche sind dort gestorben. Einige von ihnen wurden für medizinische Versuche, bei denen es um Geschlechtskrankheiten ging, benutzt.
Frauen, die schwanger wurden, wurden nach einer Zwangsabtreibung oder gewaltvollen Kindswegnahme weiter im KZ-Bordell ausgebeutet oder vernichtet. Einige der Frauen konnten allerdings gar nicht mehr schwanger werden, weil sie schon zuvor als „Asoziale“ von den NS-Ärzten sterilisiert worden waren, um „moralisch minderwertigen“ Nachwuchs zu verhindern.
Die permanente Erniedrigung durch die SS und die Häftlingsfreier sowie die sexuelle Ausbeutung belastete die Frauen in den „Sonderbauten“ stark. Die ehemalige Zwangsprostituierte W. berichtet: „Man wird abgestumpft. Das Leben zählt einfach nicht mehr, denn sie hatten einem als Mensch alles kaputt gemacht. (…) Man wird gleichgültig, wie soll ich sagen… man hat eine Empfindung… es erschüttert einen nichts mehr. Reizlos bis zum geht nicht mehr, die hätten mit einem machen können, was die wollten, wir wussten, wir waren denen ausgeliefert, man konnte sich ihnen nicht widersetzen. Wir haben uns nur gesagt, je eher, desto besser, soweit waren wir, nicht nur ich allein.“[1]
Unter den Frauen gab es kaum Freundschaften. Überlebende berichten, eine jede sei abgestumpft gewesen und hätte nur für sich versucht, den Tag hinter sich zu bringen. Die Angst, einer anderen Frau etwas anzuvertrauen, das schließlich an die SS weitergegeben werden könnte, mag eine Rolle bei der Isolation der Frauen untereinander gespielt haben. Die Frauen beschreiben, sie hätten sich nicht aussprechen können und auch die Gedanken und Gefühle der anderen Frauen nicht gekannt.
Um zu überleben, unterhielten viele der Frauen Beziehungen zu Stammfreiern, die ihnen z.B. zusätzliche Nahrungsmittel brachten. Dies war allerdings von der SS bei Strafe verboten. Einige Frauen erzählen, Stammfreier hätte ihnen geholfen, auf dem Papier die 8 Freier, die sie pro Tag bedienen sollten, vollzumachen, weil sie die vielen Männer nicht mehr aushielten. Dafür habe der Stammfreier allerdings auch „sein Recht“ verlangt.
Wie die Frauen von der SS behandelt wurden, gestaltete sich von Ort zu Ort unterschiedlich. An das Verbot, sich im Bordell für die KZ-Häftlinge sexuell zu betätigen, hielten sich die SS-Männer nicht immer. Mehrere überlebende Frauen aus den KZ-Bordellen berichten, auch von SS-Männern missbraucht und auch geschlagen worden zu sein. Andere SS-Männer ließen den Frauen Vergünstigungen zukommen oder halfen ihnen, jedoch meist, wenn sie an diesen sexuell interessiert waren.
Eine weitere Bewältigungsstrategie, die es den Frauen erlaubte, die sexuelle Ausbeutung auszuhalten, war es, die seelischen und körperlichen Schmerzen von sich abzuspalten und mittels Dissoziation in einen Zustand innerer Distanziertheit und Gleichgültigkeit zu verfallen. Dieses „Sichrausnehmen“ aus der gewaltvollen Situation zeigt sich auch in Sprache und Schilderungen der zwangsprostituierten Frauen, zum Beispiel, wenn diese Frau sich selbst wie einen Gegenstand beschreibt: „Wir mussten jetzt jeden Abend die Männer über uns rübersteigen lassen, innerhalb von zwei Stunden. Das hieß, die konnten rein, mussten ins Arztzimmer, sich ´ne Spritze abholen, konnten zu der Nummer, also dem Häftling, konnten ihre Sachen da verrichten. Rein, rauf, runter, raus, wieder zurück, kriegten sie nochmals eine Spritze. Der Häftling musste raus. Wir hatten ein Badezimmer mit soundsoviel WCs. Also an Sauberkeit hat es da nicht gefehlt. Und dann kam gleich der nächste wieder. Am laufenden Band. Und die hatten nicht länger wie eine Viertelstunde.“[2]
Schilderungen lassen darauf schließen, dass die Frauen nicht, wie von den Nationalsozialisten versprochen, nach 6 Monaten „Dienst“ im KZ-Bordell wieder freikamen. Entweder wurden sie als Häftlinge in die KZ rücküberstellt und waren teilweise körperlich und seelisch schwer belastet. Trotz allem konnten die Überlebenschancen der Frauen in den KZ-Bordellen von Fall zu Fall auch höher sein als die der anderen Häftlinge. Dies lag daran, dass sie für die SS von großem Nutzen waren. So war ihr Ernährungszustand häufig ein besserer als der anderer Häftlinge, was ihnen auch bei Rücküberstellung ins KZ helfen konnte, zu überleben.
Einige der Frauen wurden für Menschenversuche benutzt, und zwar in Testreihen zu Geschlechtskrankheiten, die der Reichsführer-SS Heinrich Himmler angeordnet hatte. Aber auch zu Versuchen über homosexuelle Männer zog man sie zwangsweise heran. Himmler glaubte, 98% aller männlichen Homosexuellen seien nicht angeboren schwul, sondern „umerziehbar“. Zur Lösung dieser „Homosexuellenfrage“ stellte er in Aussicht, dass schwule Männer als „geheilt“ gelten könnten, wenn sie vor einer Kommission bewiesen, dass sie in Bezug auf eine Frau sexuell handlungsfähig seien. Dabei zwang man beide, den homosexuellen Mann und die zwangsprostituierte Frau, vor dieser Kommission geschlechtlich zu verkehren, was von Überlebenden als schwer demütigend und entwürdigend geschildert wurde.
Auch bei Unterkühlungsversuchen wurden die Zwangsprostituierten aus den KZ-Bordellen herangezogen. Bei diesen Versuchen ging es darum, zu ergründen, wie ins Eismeer abgestürzten deutschen Piloten das Leben gerettet werden könne. Männliche Häftlinge wurden in der Versuchsgruppe „Seenot“ in Wannen kalten Wassers gelegt, bis sie unterkühlt waren. Die Frage der Forscher war dabei, ob die Männer dadurch, dass Frauen an ihnen den Koitus verübten, schneller aufwärmten oder nicht. Der Leiter der Versuche, Dr. Rascher, bestand dabei darauf, nur „Asoziale“ und „Zigeunerinnen“, die als Prostituierte in den KZ-Bordellen waren, zu nehmen. Ein blondes Mädchen namens Ursula, das ihm aus einem KZ-Bordell geschickt worden war, sandte er zurück: „Es widerstrebt meinem rassischen Empfinden, ein Mädchen, das dem Äußeren nach rein nordisch ist, und durch einen entsprechenden Arbeitseinsatz vielleicht auf den richtigen Weg geführt werden könnte als Bordellmädchen rassisch minderwertigen KL Elementen zu überlassen. Aus diesem Grunde lehne ich die Verwendung dieses Mädchens für meine Versuchszwecke ab.“[3]
Letztlich stellte sich heraus, dass die unterkühlten Häftlinge sich durch Koitus nicht schneller aufwärmten als durch ein heißes Vollbad. Allein dadurch wurde verhindert, dass die zwangsprostituierten Frauen auch noch für die Lebensrettung an deutschen Soldaten verwendet wurden.
(c) Anne S. Respondek
[1]Paul, Christa, Zwangsprostitution. Staatlich errichtete Bordelle im Nationalsozialismus, Berlin 1994, S. 57
[2] Mieder, Rosemarie / Schwarz, Geslinde: Alles für zwei Mark. Das Häftlingsbordell von Buchenwald. MDR Radiosendung 2002. hier zitiert nach Sommer, KZ-Bordell, S. 21
- [3] Angeforderter Bericht über KL-Dirnen vom 5.November (Nürnberger Dokumente Doc. No. 323), hier zitiert nach Sommer, Sonderbau, S. 69